Angebote, die auch oder ausschließlich Väter ansprechen, entwickeln sich in Familienbildungseinrichtungen vor allem, seit Väter in Elternzeit gehen können und seit digitale Angebote zum Portfolio von Familienbildungseinrichtungen gehören. Diese Programmdynamik geht einher mit thematischen, didaktischen und organisatorischen Entwicklungen. Auf Einladung der EEB-Bundesverband-Fachgruppe Familienbezogene Erwachsenenbildung diskutierten diese Entwicklungen überregional Experten/innen aus Praxis und Wissenschaft. Ergebnisse der Diskussion sind u.a.:
- Der männliche Anteil an den Kursleitungen bleibt weiter marginal, nicht unbedingt muss dies aber die thematische, didaktische und organisatorische Entwicklung der Einrichtungen in Hinblick auf Väter limitieren. Weit mehr ins Gewicht fällt die Professionalität der Kursleitung, die Väterverteilung in den Kursgruppen sowie eine geschlechtsneutrale Raumgestaltung und Öffentlichkeitsarbeit.
- Es gibt unter Eltern eine Menge Fragestellungen und Interessenlagen, die sich ohne geschlechtsspezifische Adressierungen aufgreifen lassen (z.B. der Kontrast einer sich zuspitzenden Problemfixierung vor der Geburt und der heilen Welt nach der Geburt; selbst so eine scheinbar klar weibliche Thematik wie das Stillen ist zu öffnen: nicht nur für Mütter, die mit Fläschchen stillen, sondern in dem Zuge auch für alle Väter, die dies tun oder die die Mütter beim Stillen unterstützen wollen).
- Bei geschlechtsspezifischen Angeboten, die sich vor allem durch spezifische Themen ergeben, bieten sich Parallelkurse mit Kinderbetreuung an, mit denen dann dennoch die ganze Familie angesprochen wird.
- Auszugehen ist nicht nur von den Milieus, wo tradierte Geschlechterrollen mehr und mehr in Frage gestellt werden und sich praktisch dann vor allem Eltern und Großeltern mit tradierten Rollenmustern konfrontiert sehen. Mindestens ebenso verbreitet sind Milieus mit ausgeprägter Geschlechterrollenfixierung und dann auch mit besonderen familiären Zuspitzungen. Allerdings: auch die Beschwörung nicht nur klar definierter, sondern sogar natur- und gottgegebener Geschlechterrollen ist ein Anzeichen für milieuübergreifende Verunsicherungen beziehungsweise Neuverhandlungen von (familiären) Geschlechterrollen.
- Zu betonen ist der pädagogische und soziale Gesichtspunkt von Elternschaft gegenüber biologistischen Ansätzen, die die Art von Elternschaft auf natürliche Geschlechterrollen zurückführen. Zu fördern ist in der Familienbildung die Reflexion und Auseinandersetzung mit familiären Geschlechterrollen, denn diese ergeben sich in erster Linie aus der Art des Familienlebens und seiner sozialen und politischen Rahmung.
- Vereinbarkeitsfragen sind zunehmend auch für Väter relevant, nach Teilzeitlösungen aber suchen weiterhin ausschließlich Frauen. Die Elternzeitmonate konnten daran und auch an anderen für die Vereinbarkeit des Arbeits- und Familienlebens entscheidenden Einstellung und Rahmenbedingungen nichts ändern.
- Auf Väter zugeschnittene Wochenendangebote und digitale Angebote sprechen vor allem Väter an, die an den Randzeiten ihrer Vollzeiterwerbstätigkeit über Kapazitäten verfügen. Es sind dies Väter, die sich neben der Sorge „für ihre Familien“ auch noch „in ihren Familien“ einzubringen suchen. Folgt man dem soziologischen Schema von gegenwärtig drei Vätertypen, so erreichen die Einrichtungen mit Wochenend- und Digitalangeboten weniger das „antifeministische“ Drittel, auch weniger das „genderreflexive“ Drittel, sondern vermutlich überwiegend das „pragmatische“ Männerdrittel.
- Programmplanende und Kursleitungen sollten Geschlechterklischees (wie die beschützenden, heimeligen Mütter sowie die fordernden, erlebnisorientierten Väter) nicht reproduzieren, sondern reflektieren und prüfen können. Ebenso wenig dürfen sie populäre Klischees verharmlosen, vielmehr müssen sie diese in ihrer Wirkung ernst nehmen und gruppendynamisch diskutabel halten.
Die Fachgruppe Familienbezogene Erwachsenenbildung dankt allen Teilnehmenden und Impulsgebenden für ihre engagierten Beiträge.
Materialien zur Tagung:
Alexander Geurtzen: Geschlechtermix als neue Normalität in der FBS